Notizen einer begeistert Denkenden

Montag, 31. Januar 2011

Lernen und arbeiten Teil 1

Liebe Gehirnbenutzer/innen,
nun habe ich schon längere Zeit nicht geschrieben, trotzdem während mehrerer Wochen ein Thema in meinem Kopf gewälzt. Angeregt durch Anna Arnskötter, die in ihrem Feedback ihre veränderte Einstellung zum Lernen beschreibt, möchte ich heute meine eigenen Gedanken dazu aufschreiben.

Hier zunächst einmal Annas MindMap zum Thema 'lernen'.


Ganz bewusst hat sie dunkle Farben gewählt und Adjektive, die uns eher zum Davonlaufen einladen als gemütlich, interessiert und angeregt mit unserem Stoff zu arbeiten: trist, langweilig...

Diese Einstellung zum Lernen hat sie leider aus der Schule mitgebracht. Warum wurde ihr dort diese traurige, deprimierende Haltung vermittelt? Obwohl ich nicht alle Schulen und LehrerInnen über einen Kamm scheren möchte, zeichnet sich die traditionelle Schule aus meiner Sicht durch einige lernhemmenden Eigenschaften aus.

Ich nehme mir für heute einmal das Adjektiv langweilig zu näheren Betrachtung heraus. Warum ist Schule lang - weilig?
Während meiner Schulzeit als Lehrerin habe ich gerne die Schulanfänger beobachtet, die mit strahlenden Augen und voller Eifer in die Klassen strömten. Voller Wissbegier und neugierig auf den neuen Lebensabschnitt, stolz darauf, bald lesen und schreiben zu können, kamen sie in die Schule.
Ein halbes Jahr später schien das Licht in ihen Augen ausgelöscht worden zu sein. Nun trotteten sie einigermaßen gelangweilt durch die Eingangstür. Ganz zu schweigen von einigen wenigen, die weinten oder mit Magenschmerzen den Schultag begannen.
Was passierte in diesem ersten halben Jahr? Die Kinder, die bis dahin überwiegend ihrem eigenen Forschungstrieb gefolgt und als lernerprobte Individuen in ihr Leben gewachsen waren, wurden nun Teil einer Gruppe. Ja, es ist wichtig zu erfahren, dass Individualität sich in sozialen Bezügen in eine Gruppe einordnen muss, dass Regeln das Zusammenleben erleichtern und dass es dazugehört eigene Interessen dem Zusammenhalt und der Tragfähigkeit einer Gruppe unterzuordnen. Auf diesem sozialen Fundament, das das Zusammenleben und -lernen einer Gruppe regelt, können Entwicklung, Verstehen und Einsicht wachsen.

Zugleich müssen die meisten Kinder aber erfahren, dass Lernen im Gleichschritt funktionieren soll, dass alle im gleichen Moment das Gleiche lernen müssen. Die gleichen Buchstaben, die gleichen Mathematikaufgaben, die gleichen Lieder, die gleichen Geschichten .... Einige von Ihnen können schon schreiben, lesen, rechnen. Andere sind noch ganz am Anfang. Die Folge: Die erste Gruppe langweilt sich, die anderen sind überfordert. Unterricht für die Mitte? Wer ist die Mitte und warum und wie kann sie das Tempo bestimmen?

Noch etwas ändert sich: Vom Fragenden, Forschenden, neugierig das Leben Erprobenden (im Idealfall, wenn sie nicht schon vorm Fernseher oder Computer versackt sind) werden die Kinder auf Zuhören, noch einmal Zuhören, Wiederholen, Speichern und Reproduzieren gedrillt. Dazu kommt das Stillsitzen über mehrere Stunden, nur unterbrochen von einigen Pausen, die Bewegung erlauben.

Stellen Sie sich das für sich selber vor, falls Ihnen die Erfahrungen aus der Schulzeit schon abhanden gekommen sind: Sie sitzen den ganzen Vormittag oder sogar bis in den Nachmittag, ziemlich eng gedrängt an einem Tisch, der hoffentlich Ihren Körpermaßen entgegenkommt, hören einem vorne stehenden Dozenten zu, kommen manchmal in den Vorteil eine Antwort geben zu können, nachdem sie ihren Finger gehoben haben und dürfen auch einmal ihre Hand bewegen um einen Schreibstift zu schwingen. Na, kribbelt Ihnen schon der Hintern? Ist das eher langweilig?
Forschungen (und es sind beileibe nicht die Allerneuesten) belegen, dass Bewegung für das Gehirn ein Jungbrunnen ist, dass Sauerstoff das Lernen beschleunigt. Warum werden unsere Kinder immer noch in viel zu kleinen Klassenräumen auf Stühlen festgeklebt? Warum muss Lernen seit dem Bestehen der Klosterschulen immer noch im Gleichschritt funktionieren? Warum werden aus diesem Gleichschritt immer noch einige Beste ausgesiebt, während alle anderen sich frustriert den unteren Rängen des Einheitsmaßstabes ergeben müssen? Warum wird an unseren Schulen nicht überwiegend in Projekten gelernt, die den Netzwerken unserer Gehirne Futter geben, die individuellen Fähigkeiten und den Forscherdrang ausbauen, Bewegung in allen Bereichen erlauben und im weitesten Sinne die Intelligenz unserer Gesellschaft fördern?


Genug für heute zum Thema 'Langeweile'
Ich wünsche Ihnen Abwechslung, Forscherdrang und Bewegung.
Bis bald
Maria Stoecker