Notizen einer begeistert Denkenden

Dienstag, 29. November 2011

Aus Fehlern wir man dumm??

Wie Edison in der Schule immer noch im Dunkeln rumfunzeln würde

Überblick: Intelligenz ist nicht nur durch Schnelligkeit gekennzeichnet. Das beweisen mein Enkelkind und Thomas Edison, der Erfinder der Glühbirne. Sie haben etwas gemeinsam: Beide sind unermüdliche Arbeiter. Und beide lern(t)en dabei viel, auch wenn sie Fehler mach(t)en. In der Schule ist der Fehler ein Teufel. Um alles in der Welt muss man ihn vermeiden. Dabei bleibt Vieles auf der Strecke: Ausdauer, Geduld, Experimentierfreudigkeit, Kreativität, Selbstbewusstsein. Stattdessen werden wir zu Wiederkäuern vorgekauten Wissens erzogen.

Von Thomas Edison, dem Erfinder der Glühlampe wird folgendes erzählt: Er brauchte tausende von Versuchen, bevor er seine Idee, Licht mit Hilfe von Elektrizität zu erzeugen, umsetzen konnte. Er selber sagt dazu, dass er tausende von Möglichkeiten gefunden hatte, die nicht funktionierten. Aha! Seine Fehler hatten ihm gezeigt, dass er auf dem falschen Weg war, dass er rückwärts aus der Sackgasse herausfahren musste und nach einer anderen Lösung suchen musste. Er hat nicht aufgegeben. Schließlich wurde er fündig. Danke Thomas für deine Ausdauer. Hätte er seine Erfindung in der Schule machen müssen, würden wir wahrscheinlich heute noch im Dunkeln rumfunzeln.

Ich habe mein Enkelkind beobachtet. Er versuchte einen Kreis aus den Schienen seiner Holzeisenbahn zusammenzusetzen, damit sein Bär Feisel und dessen Freunde im Kreis herumfahren konnten. Eine ziemlich schwierige Aufgabe für einen Dreijährigen. Geduldig fügte er die Schienen zusammen. Die Schlangenlinien, die dabei entstanden, nahm er immer wieder auseinander. Hin und wieder half ich ihm, indem ich eine Schiene umdrehte, so dass sie sich leichter in die Kreisform einfügen konnte. Schließlich hatte er es geschafft! Der Kreis schloss sich und Feisel konnte mit seinen Freunden losfahren.

Hatte er beim Bauen Fehler gemacht? Ja, viele! Letztendlich hatte er aber viel gelernt, nämlich Schlangenlinien zu bauen und dabei ein Prinzip des Kreises zu verstehen: Ein Kreis ist rund und wellt sich nicht. Seine Fehler schulten eine wichtige Erkenntnis und – nicht zu vergessen – seine Geduld und Ausdauer.

Was wäre passiert, wenn ein Erwachsener eingegriffen hätte: „Lass’ mal, das ist falsch das kannst du noch nicht. Ich mach’ das mal für dich!“ Wir hätten in ein sehr enttäuschtes Gesicht geschaut, das eine Möglichkeit etwas Wichtiges zu lernen verpasst hatte. Das Training von Ausdauer, Geduld, Experimentierfreudigkeit, die Schulung von Kreativität und logischem Denken und einige mathematische Vorerfahrungen wären buchstäblich auf der Strecke geblieben. Planen, abwägen, entwickeln, verwerfen, entscheiden, unterscheiden, emotional, sozial verantwortlich sein... und der kritische Umgang mit Fehlern kennzeichnen einen intelligenten Menschen. Nicht umsonst sagt der Volksmund: „Aus Fehlern wird man klug!“

In der traditionellen Schule sind Fehler das Schlimmste was einem passieren kann. Fehler werden rot angestrichen. Fatal! Rot ist eine Signalfarbe, die sich tief in das Bewusstsein einbrennt. Dadurch wird der Fehler verstärkt. Schau her, hier ist etwas rot markiert. Es ist sehr wichtig! Schau genau hin! Dadurch prägt sich der Fehler eher ein, als dass man ihn vergisst.

Die zweite Katastrophe ist, dass wir gezwungen werden, Fehler zu vermeiden. Fehler bringen schlechte Zensuren, also hat derjenige die größten Chancen, der möglichst präzise wiederkäut, was Lehrer und Schulbücher vorgedacht haben. Dann ist alles „richtig“. Bloß nicht selber denken, bloß nicht experimentieren, bloß nicht kreativ neue Wege ausprobieren. Sie könnten zu einem Fehler führen und damit zu einer schlechten Zensur. Schlechte Zensuren verbauen den erfolgreichen Schulweg. Erfolgreich?

Ist es erfolgreich wenn man trainiert wird, vorgegebene Inhalte möglichst buchstabengetreu wiederzugeben, das nach – zudenken, was der Lehrer vorgedacht hat? Edison hätte in der Schule keine Chance gehabt. „Lieber Thomas, das was du da machst, ist alles falsch, es dauert viel zu lange, schreibst du jetzt bitte diesen Text über Petroleumlampen ab? Na wird’s bald?“

Schauen wir uns andere Forscher an. Jahrelang brüten sie über Problemen und siehe da, sie dürfen Fehler machen, sie müssen es sogar. Denn um Dinge herauszufinden und voranzutreiben gehen sie ungewohnte, nicht vor - gedachte Wege. Langzeitstudien z.B. brauchen Jahrzehnte bis sie Ergebnisse zeigen. Wie bei Edison führen Experimente häufiger zu falschen Ergebnissen. Die sind aber eigentlich richtig, weil sie auf dem Weg zur Lösung unkorrekte Überlegungen ausschließen. Klingt paradox (widersprüchlich), nicht wahr? Man wird klüger, weil man die gescheiterten Versuche zu den Akten legen kann. Ein Fehler sagt: Hier geht es nicht weiter! Die richtige Lösung wird sozusagen auf dem Weg über die Fehler eingekreist. Und ganz nebenbei lernen wir – wie mein Enkelkind - auch noch etwas z.B. über Wellenlinien in Schienen: Eine Wellenlinie ist kein Kreis und gleich kann man Wellenforschung anschließen.

Und was passiert später im Arbeitsleben? Was ist mit Firmenchefs, die neue Märkte erschließen wollen? Was ist mit Arbeitskräften, die mit unkonventionellen Lösungen Arbeitsprozesse verkürzen, neue Verkaufsstrategien entwickeln wollen? Machen die denn auch Fehler?

Moment, hier scheint ein Widerspruch vorzuliegen. Sollen Arbeiter und Chefs beim Ausprobieren und Erkunden denn Fehler machen? Nein, natürlich nicht! Aber nur wenn sie gelernt haben, richtige Lösungen über das Fehlermachen einzukreisen, beherrschen sie anschließend die kreativen Planspiele, die falsche Entscheidungen vorwegdenken und damit vermeiden. Der ‚Fehler’ wird auf der abstrakten (gedanklichen) Ebene erkannt und abgehandelt.

Dieses Thema ist unendlich und ich mache hier erst einmal Schluss mit meinen Betrachtungen. Zwei große Wünsche möchte ich noch anschließen: Die Lehrer/innen in der Schule verwandeln sich von Vor – Kauern zu Begleitern. Sie helfen dir und unterstützen dich auf deinem Lernweg. Manchmal stellen sie Weichen und beraten dich, damit du aus den unendlichen Angeboten der Wissenswelt die besten Medien auswählen kannst. So verfranzt du dich nicht im Unendlichen. Denn Bildung ist nun einmal keine Holzeisenbahn.

Außerdem wünsche ich mir schon seit meiner eigenen Schulzeit, dass nicht Fehler rot, sondern das Richtige grün angestrichen wird. Wie du ja schon weißt, lernst du durch Erfolge und Bestätigung besonders gut.

Viel Spass beim Experimentieren und Ausprobieren

Maria Stoecker

Text aus

Maria Stoecker: 'Schillers Eichhörnchen fährt Motorrad - Lernen auf der Überholspur', unveröffentlichte Ausgabe



Donnerstag, 8. September 2011

Wachstum und/oder soziale Attacke

Liebe Gehirnbenutzer/innen,

heute möchte ich Ihnen Informationen aus einem Vortrag von Gerald Hüther, Neurobiologe, wiedergeben, die mich sehr bewegt haben.

In seinem zweistündigen Vortrag „Die Zukunft des Lernens“ beschäftigt er sich mit Aspekten des vorgeburtlichen Lernens bis hin zu Vorschlägen für eine veränderte Schullandschaft. Ich möchte Ihnen hier einen Auszug wiedergeben, den ich für besonders wichtig halte. Er beinhaltet sinngemäß folgendes:

Neugier, Herausforderung, positive Bestätigung erzeugen Wachstum. Diese Eigenschaften schaffen Weltentdecker und Weltgestalter. Wertschätzung, Zuneigung, Lust und Selbstvertrauen setzen einen positiven Lernzyklus in Gang. Wenn wir Erfolg haben, suchen wir weiter nach dem Schönen. Dieser Lernzyklus geht unter die Haut, prägt sich tief im Gehirn ein.

Jedes Mal wenn wir eine Bestätigung erhalten, wird das Selbstbelohnungssystem im Gehirn in Gang gesetzt. Serotonin und Dopamin (das ist wie eine kleine Prise Kokain und Heroin gleichzeitig – wir sind ‚high‘) werden ausgeschüttet. Damit werden alle Lösungen, die uns erfolgreiche Erlebnisse verschaffen, fest im Gehirn verankert, eingebügelt: Bestehende Synapsen werden verstärkt, neue Verbindungen geschaffen. Das heißt: Erfolg macht uns auch klüger.

All das, was wir in einem erfolgreichen Zyklus lernen, wird fest ins Gehirn eingebrannt. Wir gehen mit diesen Erfahrungen weiter, wollen die Welt entdecken, mit dem Selbstvertrauen, das uns der Erfolg gegeben hat. (Das bezieht ein, dass wir uns auch gerne anstrengen – dazu demnächst mehr.)

Es gibt kein genetisches Programm im Gehirn, das für Misserfolge sorgt. In Misserfolge werden wir immer durch jemand anderes gestoßen. Ein Misserfolg ist immer auf ein soziales Attentat zurückzuführen, das durch andere Menschen ausgelöst worden ist. Jemand ist nicht zufrieden mit dem was wir denken und wie wir sind. Menschen, die uns zeigen, dass wir nichts können, dass wir nicht dazugehören, sorgen für diese Misserfolge. Lehrer lassen uns nicht zeigen, was wir können. Klugscheißer und Besserwisser rauben uns den letzten Mut.

Schließlich sagen wir uns selbst, dass wir eine Pfeife sind, denn alles andere ist zu deprimierend. Und dann sagt das Gehirn: „Ha, hab ich doch gleich gesagt“, und wertet diese Aussage als Erfolg. Mit diesem ‚Erfolg‘ kann ich vor den Menschen treten, der mich negativ bewertet hat: „Ich bin eine Pfeife!“, sagen wir nun selbst. In diesem Moment springt das Belohnungssystem an. Das Gehirn deutet die negative Nachricht in eine positive um. So frisst sich die negative Selbstüberzeugung über das Belohnungssystem fest in das Gehirn ein. Dann sind wir nicht mehr erreichbar für positive Botschaften.

In der Zusammenfassung bedeutet das: Wir lernen am besten durch Erfolge und Bestätigung. Die verschaffen uns nicht nur ausgesprochen gute Laune (wer kennt sie nicht nach einem Erfolg oder positivem Erlebnis?) wir werden auch noch klüger! Das Selbstbelohnungssystem des Gehirns brennt diese Erfahrungen tief in sein Netzwerk ein und vermehrt auch noch seine Verbindungen.

Misserfolge sind nach Gerald Hüther soziale Attacken, durch unsere Mitmenschen verursacht (Vorsicht, wir sind auch ein Mitmensch!). Die negative Bewertung wird übernommen „Ich kann ja sowieso nichts!“ und vom Gehirn umgepolt in eine positive Botschaft. Damit brennt sie sich genau so tief ein wie ein Erfolg. Deshalb werden wir diese verflixten behindernden Urteile über uns so schlecht los.

Mehr möchte ich heute nicht schreiben, genug Stoff zum Nach - denken.

Liebe Grüße

Maria Stoecker

PS: Ein Satz in dem Vortrag hat mich ganz besonders gefreut:

„Wirkliches Lernen findet nur mit Begeisterung statt.“

Leute kommt zuhauf, ich zeige euch wie es geht!